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Künstliche Intelligenz vs. menschliche Entscheidungen?



Welchen Einfluss hat KI im HR-Bereich in Zukunft wirklich? Werden Personalentscheidungen in Zukunft von Computern getroffen? Wie viele Bewerbungsgespräche werden künftig via Bot geführt? Und wie viel Menschlichkeit und Bauchgefühl bleiben dabei auf der Strecke? Steffen Michel, Geschäftsführer von MHM HR, nimmt anhand von fünf Thesen dazu Stellung.

Der Einsatz von KI und Machine Learning wird das Personalwesen revolutionieren.

„Ja und nein. Denn wie immer und bei allem, was relativ neu ist, werden die ausgeloteten Einsatzgebiete euphorisch ausgedehnt, große Potenziale prophezeit und neue Buzzwords generiert. Klar ermöglichen zum Beispiel Matching-Algorithmen, die als Filter Stellenprofile gegen Kompetenzkataloge von Bewerbern abgleichen, eine objektive und effiziente Vorauswahl von Bewerbern. Aber das Risiko dabei ist, wie meist, wenn der Computer auswählt, dass menschlich geeignete, aber „exotische“ Bewerber gleich am Anfang durch das Raster fallen. Will man das?

Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von KI im HR-Bereich ist CV-Parsing. Hier übernimmt das System automatisiert Bewerberdaten aus Unterlagen, speichert diese strukturiert in einem Bewerbermanagement-System und erspart den Recruiting-Abteilungen lästiges manuelles Eintippen. Das ist sicherlich hilfreich und effizient.

Außerdem können intelligente Chatbots einfache, wiederkehrende Bewerberanfragen beantworten. Vorausgesetzt, die Systeme wurden im Vorfeld ausgiebig getestet und ersparen peinlich-lustige Fehler, welche sich heutzutage rasend schnell via Social Media verbreiten.

Ebenso können Chatbots zum Beispiel auf Recruiting Messen die Bewerber und Aussteller gleichermaßen zum Schmunzeln und ins Gespräch bringen, wenn diese nicht richtig funktionieren. Das hat nette menschliche Nebeneffekte und sorgt auf jeden Fall für Gesprächsstoff am Messestand.“

 

In Zukunft können KI-Instanzen Personaler ersetzen.

„Natürlich kann KI HR-Mitarbeiter teilweise ersetzen oder diese für andere, wichtigere Aufgaben „freischaufeln“. Zum Beispiel, wenn es um rein administrative Aufgaben geht, die viel Zeit in Anspruch nehmen.

Andererseits ist die KI ist noch weit von emotionaler Intelligenz entfernt. Daher kann letzten Endes nur ein menschlicher Recruiter oder Ansprechpartner aus dem Fachbereich entscheiden, ob der Kandidat persönlich ins Team passt oder nicht. Denn Aspekte wie Kommunikations- und Teamfähigkeiten lassen sich nach wie vor nur im persönlichen Gespräch abprüfen.

Generell geht es doch trotz aller innovativer Technologien, Tools und Trends im Recruiting immer noch um den Menschen. Wie überall funktioniert auch im HR-Bereich die Digitalisierung nur, wenn der Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Neue Technologien müssen dem Bewerber und dem Recruiter das Leben einfacher machen, Punkt. Denn schlussendlich entscheiden beide, ob ein Arbeitsverhältnis zustande kommt oder nicht. Hier zählen am Ende dann doch der erste Eindruck und das Bauchgefühl – und beides kann noch kein Roboter ersetzen.

Ein Thema, bei dem der Computer zumindest bei der Vorauswahl mitentscheiden kann, sind KI-basierte psychologische Testverfahren, die Bewerber am Anfang des Entscheidungsprozesses objektiv vergleichbarer machen. Solche Testverfahren können Fehlbesetzungen verhindern, aber sie garantieren im Gegenzug nicht, dass auch der auf menschlicher Ebene wirklich geeignetste Kandidat eingestellt wird. Das heißt, im Endeffekt kann man mit psychologischen Testverfahren gegen Fehlentscheidungen vorbeugen. Das ist auf jeden Fall besser und billiger als später nachzusorgen.

Aber Achtung: die Verfahren sind nur so gut, wie die Menschen, die sie entwickeln und die diese später nutzen, um die Ergebnisse im Gesamtkontext einer Bewerberpersönlichkeit zu evaluieren.“

KI und Machine Learning breiten sich rasend schnell in den HR-Abteilungen aus.

„Beide Technologien sind bereits jetzt in verschiedensten Unternehmensbereichen im Einsatz und werden auch in Zukunft unternehmensübergreifend eine immer wichtigere Rolle spielen. Ebenso wie andere Abteilungen muss auch HR heute zahlengetrieben und maschinengestützt agieren. Dabei gibt beides im Zusammenspiel den Verantwortlichen eine gewisse Sicherheit bei ihren Entscheidungen. Jedoch bedeutet dies im Umkehrschluss, dass sich immer mehr Recruiter nicht mehr nur auf ihr Bauchgefühl verlassen, sondern sich einfach gegen teure Fehlentscheidungen absichern wollen.“

HR-Abteilungen sind (noch) nicht wirklich darauf vorbereitet, KI einzusetzen.

„Da KI auf eine solide und qualitativ hochwertige Datenbasis aufsetzt, stehen HR-Abteilungen wenn sie datentechnisch gut durchstrukturiert sind, ganz gut da. Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von KI im HR-Bereich ist ein gut gepflegtes Bewerbermanagement-System. Als solide und vielfältig nutzbare Datenbasis bildet es eine wesentliche Grundlage für den Einsatz innovativer Funktionen, Tools und Bots. Daher ist es ratsam, zunächst grundlegende Strukturen aufzubauen und ein Bewerbermanagement-System zu implementieren, das alle Bewerber- und Bewerbungsprozessdaten zentral und übersichtlich speichert. Auf dieser Basis lässt sich KI mittelfristig hervorragend im Recruiting einsetzen. Doch Digitalisierung ist ein ganzheitlicher Changeprozess und dieser benötigt auch in den Personalabteilungen seine Zeit.“ 

HR-Abteilungen sind (noch) nicht in der Lage, Mitarbeiter in Richtung KI auszubilden. 

„Waren Personalabteilungen in den 80er Jahren fähig, Mitarbeiter in EDV auszubilden? Die klare Antwort ist nein. Aber sie waren dafür verantwortlich, diese Skills unternehmensintern aufzubauen und auszubreiten.

Grundsätzlich ist es eine unternehmensstrategische Frage, ob man dem Trend folgen und KI großflächig einsetzen möchte oder nicht. Wenn ja, dann benötigen die Mitarbeiter in Zukunft weitreichende Skills, um KI abteilungsübergreifend und zielgerichtet einzusetzen und zu nutzen. Dabei ist wichtig, keine Ablehnung oder Ängste davor in der Belegschaft hervorzurufen. Dazu können breit angelegte KI- Fortbildungen beitragen, die von der Personalabteilung zumindest getriggert und koordiniert werden müssen.

Zu einer ganzheitlichen Digitalisierungsstrategie gehören KI und der abteilungsbergreifende, professionelle Umgang damit ebenso dazu, wie deren Einsatz über ein ganzes Mitarbeiterleben lang. Vom KI-gestützten Bewerbungsprozess, über spezielle Aus- und Weiterbildungsprogramme bis hin zum KI Profi oder auch AIO* als Stellenprofil – sofern es diesen einmal geben wird.“

* Artificial Intelligence Officer



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